Der Tag, an dem der letzte US-Soldat Afghanistan offiziell verlässt.
von Ramona Wakil

US-Präsident Ronald Reagan mit den Mujaheddin im Weissen Haus im Jahre 1983.
Ein gebrochenes Land, so benannt und bekannt in aller Welt
Das südliche Kandahār mit den weltbesten Granatäpfeln
Ein komplizierter Krieg
Die weissen und schwarzen Maulbeeren gehören zu den einmaligsten Früchten
Ein nie endendes Drama
Die heisse Sommerluft in den Gebirgen des Dasht-i-Navar; einer Vulkangruppe
Die Schönheit des Landes wurde so wenig gewürdigt, wie entdeckt
Eine neue Ära begann.
Weder dem König Zahir Schah noch dem ersten Präsidenten Afghanistans Daud Khan gelang es.
Die Öffnung gegen Westen war ein Zeitvertreib, denn was folgte, war ein aufkommendes Machtspiel.
Der Sänger Ahmad Zahir machte es vor: Sein Lied Safar bih roshenahi (Reise ohne Licht) kritisierte den späteren kommunistischen Ministerpräsident Nur Muhammad Taraki, der von seinem Freund und Nachfolger Hafizullah Amin ermordet wurde.
Welch Drama in den innerpolitischen Reihen vor sich ging. Khalq oder Parcham; die nie endende Klausel.
1979: Einmarsch der Sowjetunion heisst es offiziell.
Vor Heilig Abend 1979 mischten jedoch nicht nur die Sowjets in Kabul mit.
US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski bestätigte Jahre später:
«In der Tat, es war am 3. Juli 1979, dass Präsident Carter die erste Direktive für eine geheime Hilfe für die Gegner des pro-sowjetischen Regimes in Kabul unterzeichnete. Und am selben Tag schrieb ich eine Notiz an den Präsidenten, in dem ich ihm erklärte, dass meiner Meinung nach dieser Hilfe eine sowjetische Militärintervention auslösen würde.» [1]
Die Sowjets soeben daran die Vormachtstellung in Zentralasien einzunehmen.
Doch das politische Instrument der Ausrüstung von fanatischen blutjungen Gotteskriegern war geboren.
Die CIA war von nun an beschäftigt und amüsiert.
Ein neuer Plan, ein neuer Feind, die CIA-Operation Cyclone war im Gange.
Elitäre kommunistische Visionäre an der Macht in Kabul wurden zum genannten Feind gekürt.
Die neuen Verbündeten der Warlords und der Mujaheddin waren von nun an die USA, Pakistan und Saudi-Arabien.
Eingeladen wurden Sie im hoheitlichen Präsidentenpalast in Washington, denn da kam man 1983 mit US-Präsident Ronald Reagan traditionell zum Tee zusammen.
Ab dann fanden auch Schweizer High-Tech Waffen Ihre Wege zu den «Gotteskriegern». [2]
Der Krieg begann, “We now have the opportunity of giving to the USSR its Vietnam war." [3] war das Ziel der USA, erklärte der US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski.
Die Sowjets und Ihre Ideologie hegten mit der Regierung Babrak Karmals und Mohammed Najibullahs Hoffnung.
Bomben, Luftanschläge an Universitäten, in der Stadt Kabul in jedem Haus zu hören.
Ein Blutbad war die Folge, man flüchtete zu Millionen, man betete und man wartete.
Angst, Verlust, eine militärisch unterlegene afghanische Regierung schaute überfordert zu.
Die Militärs der reichen Staaten waren den Sowjets eine Nummer zu gross.
Die Sowjet-Fürer begleitetend von Breschnev, Andropow, Tschernenko bis zu Gorbatschow, der dem Ganzen schliesslich ein Ende setzte.
1992: Die Machtübergabe der kommunistischen Regierung Afghanistans an die Mujaheddin folgte.
Jahre in Angst, interner Machkämpfe, Beeinflussung verschiedener Staaten waren von nun an Alltag.
1996 das Jahr, indem die Zeit der Taliban zum Ersten Mal eingeläutet wurde.
Der Anfang vom Ende.
Der NATO-Einmarsch 2001, um Vergeltung für den saudischen Osama Bin-Laden und 9/11 in den Gebirgen Afghanistans auszuüben.
Die Vernichtung der Taliban war das Ziel, der «War on Terror» US-Präsident Bushs Meisterwerk begann.
Das Land wurde besetzt; Amerikaner, Deutsche, Franzosen und viele mehr hatten Ihre Truppen auf die Mission geschickt.
In das Land, das nie zur Ruhe kommt, in das Land, das sich trotzdem zu bekennen weiss.
Die Taliban haben gesiegt.
Sage und schreibe 20 Jahre später die Wende?
Der August 2021 kam gelegen: Die Taliban sind wieder an der Macht.
Abzug der ausländischen NATO-Truppen, denn heute am 31. August 2021 sind die Besetzer abgezogen.
Die jahrelangen Friedensgespräche mit den Taliban Führern im luxuriösen Katar waren wie vergessen.
Wie konnte das passieren?
Einige Schulbrunnen zum Wohle der Demokratie.
Viel gewaschenes US-Geld wie der amerikanische Whistleblower Julian Assange aussagt. [4]
Tödliche Geheimmissionen in verarmten Provinzen, sogenannte CIA Death Squads.
Die neue High-Tech Drohnen wurden eingesetzt, direkt aus Rammstein wurden Kinder, Frauen und Zivilisten getötet.
Nebst all dem ein florierender Opiumexport.
Einige Tage, einige widerstandslose Kapitulationen und die Taliban wurden nach 20 Jahren wiederum mit den Taliban ersetzt.
Der ehemalige afghanische Präsident Ashraf Ghani musste seinen Flug nach Abu Dhabi erwischen.
Touché würde Najibullah sagen, Machtübergaben sei unbeliebt bei den afghanischen Präsidenten.
Headlines über Headlines, der Westen in Angst.
Syrien, Irak, Libyen und jetzt ist wieder Afghanistan in aller Munde.
Nahost-Experten, Professoren, Exil-Afghanen alle wurden befragt und beäugelt.
Was ist geschehen? Wurde man nicht vorgewarnt? Was nun? Die Fragen der Stunde.
Berichte über das Billion-Dollar Geschäft rund um die afghanischen Bodenschätze Lithium und Co. sind neu erschienen, uns jedoch schon lange bekannt.
Für die afghanische Bevölkerung wird der Film zurückgespult.
Wir sind zurück im Jahre 2001.
Die Taliban sind jung, wirken mit Ihren moderaten Versprechen charmant und die Frage bleibt, wer Sie unterstützt.
Was treibt Sie an? Ist es das Geld, die Ideologie oder doch die Selbstlosigkeit?
Pakistan, die Toleranz der USA und der CIA oder deren Ideologie?
Was bleibt sind die aus der Gesellschaft ausgeschlossenen Frauen und Mädchen, denen trotz der Demokratievorstellung des Westens die Rechte entzogen werden.
War der Rückzug Schuld am Ganzen oder doch der Einmarsch der NATO-Länder in das Land am Hindukusch.
Waren doch die Elite in Kabul mit den Sowjets damals für die Misere verantwortlich oder die Implementierung der Demokratievorstellung des Westens?
War die Bewaffnung von Extremisten eine glorreiche westliche Idee oder sind das die Ernten, die man nun säht?
Die Erkenntnis.
Was uns Afghanen, im Westen lebend klar ist, ist Folgendes: Zum Opfer gefallen an Geopolitik, Machtkämpfen seit dem Kalten Krieg und dem «War on Terror» seit über 40 Jahren überlebten dies die afghanischen Gesellschaften zwar physisch, aber mental nicht. Wir im Westen hatten Glück und konnten unser Leben hier erfüllt gestalten. Was in unserem Heimatort passiert, ist ein Gedenken. Ein Gedenken an den Fortschritt, den Durst nach Wissen und Bildung der Jugend und das Verlangen nach Ruhe und Bekenntnis, das nicht ausstirbt, egal wieviele westliche Drohnen unsere Bevölkerung auslöschen.
Ein Gendenken was mit einem Land und dessen Bevölkerung passiert, wenn Sie besetzt, aufeinandergehetzt und ausgenutzt werden. Aussicht auf Besserung? Sobald die Intention der sich einmischenden Staaten nicht nur auf das eigene politische, wirtschaftliche und geopolitische Interesse basiert, sondern für einmal auf schlichte Menschlichkeit. Zu bezweifeln? In der Tat.
Die Welt ist nicht besser seit den Weltkriegen. Propaganda und Manipulationstechniken gibt es nicht erst seit 1945. Und der Normalbürger auf der Welt ist zu sehr auf sein eigenes Wohlbefinden fokussiert, als das es sich darum kümmert, dass am anderen Ende der Welt seit Jahren ein mörderischer Krieg herrscht.
Darum können wir als Gemeinschaft nur darauf aufmerksam machen und uns Gedanken machen, wie wir den einfachen Menschen in Afghanistan, die nichts für die politische Situation können, helfen und Ihnen nicht nur die Hoffnung auf ein besseres Leben geben. Denn diese Hoffnung wird Ihnen seit über 40 Jahren gemacht.
Aufklärung leisten, auch wenn viel Gegenwind herrschen wird, und an die Geschichte erinnern, welche politischen Interessengruppen auf welche Weise geplant, exekutiert und gefeiert haben, zählen zu den Aufgaben der gewissenhaften Gesellschaftsgruppen.
In Gedenken aller ermordeten, gefallenen und kämpfenden Menschen in Afghanistan.
Ramona Wakil
Quellen:
[1] Autor: Vincent Jauvert, Oui, la CIA est entrée en Afghanistan avant les Russes… [http://thenation.s3.amazonaws.com/pdf/la_nouvel_observateur_brzezinski.pdf,
[Zuletzt besucht 31.08.2021]
Afghanistan, Al Qaida und Osama bin Laden, Zbigniew Brzezinski, http://blauerbote.com/2018/10/08/zbigniew-brzezinski-afghanistan-al-qaida-und-osama-bin-laden/, [Zuletzt besucht 31.08.2021]
[2] Autor: Ulrich Schmid, Berlin, Die Schweizer Hightech-Kanone der afghanischen Islamisten,https://www.nzz.ch/international/die-oerlikon-kanone-schweizer-hightech-fuer-afghanische-mujahedin-ld.1600695?reduced=true, [Zuletzt besucht 31.08.2021]
[3] Autor: Vincent Jauvert, Oui, la CIA est entrée en Afghanistan avant les Russes… [http://thenation.s3.amazonaws.com/pdf/la_nouvel_observateur_brzezinski.pdf,
[Zuletzt besucht 31.08.2021]
The Brzezinski Interview with Le Nouvel Observateur (1998), The University of Arizona, https://dgibbs.faculty.arizona.edu/brzezinski_interview, [Zuletzt besucht 31.08.2021]
[4] „Ziel ist es, in Afghanistan Geld zu waschen“ – Assange-Video aus 2011 geht viral, https://www.youtube.com/watch?v=TSLc54Slcsk, RT Deutsch, 19.08.2021,
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