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Iran-Misere oder doch Martyrium?

 

Die Situation im Iran, so ungewiss und brenzlig wie nie zuvor. 

 

 

Ob liberal, demokratisch, autoritär, verschlossen oder offen. Die iranische Regierung hatte schon jede mögliche Art von Politiker an der Macht. Doch der Westen kam nie auf den Gedanken den Iran als souveränen, eigenständigen und vor allem mächtigen Staat im Mittleren Osten zu akzeptieren. Der Iran ist nun sehr lange in den Schlagzeilen der Medien. Es ist aber wichtig, weitaus wichtigere Zusammenhängen zu verstehen, als nur die aktuellen Headlines, Drohungen und Kriegsversprechen von beiden Seiten. 

 

 

Die meisten Menschen, die die aktuellen Geschehnisse über den Iran verfolgen, kennen die Geschichte nicht von Anfang an. Das einschneidende Ereignis 1953 im Iran prägt die Region und Irans Vertrauen zum Westen bis heute. Deshalb stelle ich eine Chronik der verschiedenen Machtwechsel im Iran vor, um das Misstrauen der Iraner gegenüber dem Westen zu erklären. Erst wenn man eine logische Reihenfolge der iranischen Politik und die Einflüsse miteinbezieht, kann man zu einer politisch wertvollen Erkenntnis kommen. Zunächst fing alles mit einem harmlos scheinenden Putsch an. 

 


1953 Premierminister Mohammad Mossadegh


 

Die Feindseligkeit der USA und dem Iran begann vor über 60 Jahren. Selbst die westlichen Medien beleuchteten dieses Ereignis und belegten die Tatsachen mit veröffentlichten Dokumenten, wie die CIA den liberalen und demokratisch gewählten Premierminister Mossadegh stürzte. Weshalb das Ganze? Um es kurz zu machen; es ging um Öl: 


«Das Verhältnis der beiden Staaten ist geprägt von gegenseitigen Demütigungen. Zurück geht dies auf den Sturz von Mohammed Mossadegh im Jahr 1953. Als der iranische Premier die Ölindustrie verstaatlichen wollte, organisierte der US-Geheimdienst CIA und der britische MI6 seinen Sturz und ersetzten ihn durch den westlich-orientieren Schah Mohammed Reza Pahlewi.» [1]


1901 hatte sich Grossbritannien die Rechte für die Erdölförderung im Iran gesichert und ein lukratives Geschäft daraus gemacht. Für jedes Pfund, das der Iran für die Ölförderung erhielt, verdiente die britische Anglo-Iranian Oil Company acht Pfund. Mossadegh wurde 1951 zum Premierminister gewählt und wollte dieses Vorgehen beenden. [2] Mossadegh wurde dann 1953 von der CIA und dem MI6 geputscht. Die offiziellen Dokumente, welche im Juni 2017 von den USA veröffentlicht wurden, beschreiben die Geheimoperation Ajax und belegen somit den Putsch 1953. [3] Viele Experten und Historiker sind sich darin einig, dass der Putsch nicht nur kurzfristige, sondern langfristige Auswirkungen auf die iranische Politik hatte:


 «Die von vielen Brüchen und Widersprüchen geprägte Geschichte des modernen Iran wurde durch diesen Putsch «bereinigt» zugunsten der Diktatur des Schahs, die jede evolutionäre politische Entwicklung in Richtung Demokratie gewaltsam unterband. Bis sich die sozialen und gesellschaftlichen Spannungen in einer Explosion entluden. Angeführt von Ayatollah Chomeini. Anders gesagt: Die Revolution von 1979 war die zeitlich verzögerte Antwort auf den Putsch von 1953.» [4]


Gehe man nun einen Schritt weiter und schaue sich die Zeit bis zur Revolution von 1979 an, kann man die Entwicklung einer brüchigen aber gleichzeitig hochkonzentrierten Machtstruktur in der iranischen Regierung erkennen. 

 


Schah Mohammad Reza Pahlavi


 

Der Shah war ein treuer Freund des Westens, arbeitete mit dem Westen in Sachen Erdöl zusammen und pflegte eine gute Beziehung zu Israel. Der Schah festigte seine Macht mithilfe von Kontrolle, Autorität und ohne Legitimierung jeglicher Opposition. Er brachte das Land wirtschaftlich voran und erhielt vom Westen wirtschaftliche Unterstützung. Doch nur eine kleine elitäre Schicht profitierte mehrheitlich von der florierenden Wirtschaft unter dem Schah. 

 

Eine Revolution war nicht eine überraschende Reaktion auf die Machenschaften des Shahs. Dennoch schrieb die Islamische Revolution Geschichte. So erwartet sie auch schien, war sie ebenso überraschend. Der Revolutionsführer Ayatollah Chomeini fädelte durch sein charismatisches Geschick das Ende der Monarchie ein. Die Bevölkerung hatte genug von der Monarchie und man erwartete sehnlichst, Chomeini die Macht zu überlassen.  

 

Unter dem Schah hatte der Westen eine sehr gute Beziehung zum Iran. Bis heute ist diese Beziehung beispielslos und alle anderen danach, verspielten es sich mit den USA und ihren Verbündeten. Der Schah gehorchte und kooperierte ganz im Sinne des Westens. Wenn man jedoch auf unabhängige und revolutionäre Gedanken kommt, wie Mossadegh damals, war ein Ende in Sicht.

 

Schaut man sich nun die Zeit nach dem Putsch 1953 und dem Schah an, wird einem bewusst, weshalb sich die iranische Gesellschaft dermassen brüchig entwickeln konnte. Es gab zu viele Versprechungen und zu wenige davon wurden erfüllt. 

 


Chomeini, Rafsandschahni, Chatami


 

Die Islamische Revolution 1979. Hundertmal analysiert und niedergeschrieben. Fakt ist, dass man vor der Revolution nicht gedacht hätte, dass der mächtige Schah von seiner Bevölkerung gestürzt werden würde. Ruhollah Chomeini brachte es als Schlüsselfigur aber zu Stande, den Iranern neue Hoffnung einzuhauchen. Im Westen als islamischer Fanatiker bezeichnet und im Iran als Retter und oberster Geistlicher. Doch mit dem Ende der Monarchie, entfachte das innenpolitische Drama in einer neuen Dimension. Die wirtschaftliche Lage und die soziopolitische Entwicklung des Iran war sich nun sich selbst überlassen. Hinzu kamen, die unzähligen Veränderungen, die Revolutionsführer Chomeini mit sich brachte. 

 

Die Umstrukturierung des Staates zu Gunsten des politischen Islams, der Erste Golfkrieg, die Anti-US-Israel-Politik. Die Bevölkerung antwortete nun, mit der Wahl Chomeinis, einem Hardliner unter seiner selbst auf den Putsch 1953. Jetzt hatte das Spiel begonnen und Chomeini und jeder seiner Nachfolger, versprachen dem iranischen Volk Verbesserung und ein besseres Leben im Sinne des Islams und Gottes Segen. Selbst nach seinem Tod, wurde die Hoffnung nach wirtschaftlicher Besserung nicht aufgegeben.

 

Als nämlich mit Rafsandschani ein offener Neoliberalist Präsident wurde, kam es zu zusätzlichen US-Sanktionen. Der Westen befürchtete, dass durch die Bemühungen um eine offenere Aussenpolitik, der Iran endgültig die Vormachtstellung in der Region beanspruchen würde. [5] Es wurden internationale Sanktionen ausgehängt und der Bevölkerung ging es schlechter. Dies schürte das Misstrauen der Iraner gegenüber den USA umso mehr.  

 

Chatami, war der Nächste, der zum Zug kam. Die Euphorie im Iran über den Reformer, wie man ihn nannte, war bemerkenswert. Mit dem «Dialog der Kulturen» strebte er nach einer offenen Aussenpolitik mit dem Westen basierend auf Diplomatie und Verständnis hin. [6] 

 

Doch auch hier führte der Wirtschaftsliberalismus, wie schon bei Rafsandschani, nicht nur zu einer wirtschaftlichen Begünstigung der Eliten, sondern auch der Westen fand kein Gefallen an der neuen iranischen Regierung. Die Iraner wurden abermals enttäuscht. Sowohl innenpolitisch, da keine Besserung in Sicht war, als auch aussenpolitisch, da die Sanktionen und Ausgrenzungen zunahmen.

 


Was heisst das nun?


 

Wir kommen zu einem gewissen Muster zu sprechen. Egal, wer im Iran Präsident wurde und in Zukunft sein wird, der Westen wird nach seinen eigenen Regeln spielen. Der Schah wurde unterstützt, denn er unterstütze den Westen und wiedersprach nicht. Egal wer im Iran an der Macht ist, die Sanktionen und Kriegsdrohungen werden kein Ende nehmen, solange sie für ihre Souveränität und ihre politischen Positionen einstehen. Die Vergangenheit hat es gezeigt. 

 

Da war beispielsweise dieser Übersetzungsfehler, der den Kritikern von Ahmadinedschad nur gelegen kam. Aufgrund des Übersetzungsfehlers kennt man ihn von jeher als denjenigen iranischen Präsidenten, der Israel offiziell vernichten und von der Landkarte ausradieren wollte. [7] Ahmadinedschad war ein Populist, der das Land furchtlos regierte und ein für alle Mal das iranische Volk vereinen wollte. Wie bei allen Nachfolgern des Schahs, war diese Aufgabe nicht zu bewältigen. 

 

Dem jetzigen Präsident Rohani gelang es, das Atomabkommen im Jahre 2015 während Obamas Präsidentschaft zu unterzeichnen und seit langer Zeit schien ein wenig Ruhe zwischen den USA und dem Iran einzukehren. 

 

Wenn man die aktuellen Geschehnisse aber verfolgt, könnte die Situation nicht brenzliger sein. Auflösung des Atomabkommens, Provokationen von beiden Seiten, unvergleichbare Wirtschaftssanktionen, die Strasse von Hormus, Israels Interessen an diesem Krieg. 

 

Der Iran, das vermeintlich letzte Land, welches in dieser Region, noch nicht angegriffen und ausgebeutet wurde, muss sich einmal mehr zu helfen wissen, um einer Katastrophe zu entkommen. Das Thema Iran umfasst noch viel mehr Einflüsse, wie beispielsweise den schiitischen Islam, die Hizbollah, Russland und China, die Iran-Contra-Affäre während dem Ersten Golfkrieg, Israels Verhältnis zum Iran, Nuklearenergie und noch sehr vieles mehr. Genau aufgrund der zahlreichen Zusammenhänge, wäre dieser Krieg eine Nummer grösser als der Krieg in Afghanistan, im Irak oder in Syrien. 

 

Ein Krieg mit dem Iran würde eine andere Dimension erreichen und die Region endgültig in sich zusammenbrechen lassen. Es wird versucht, die bereits destabilisierten Regionen einigermassen wieder unter Kontrolle zu bringen, doch im Iran haben wir es seit 1953 mit einer beispiellos intelligenten, mutigen aber dennoch brüchigen Gesellschaft zu tun. So wie sich die Iraner in der Vergangenheit wenig sagen liessen, werden sie auch in Zukunft mit allen Mitteln für ihre Rechte und Positionen einstehen. 

 


Quellen:

 

[1] Verfasser: Adrian Panholzer, So wurden der Iran und die USA zu Erzfeindenhttps://www.bernerzeitung.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/so-wurden-der-iran-und-die-usa-zu-erzfeinden/story/28054776, Zuletzt besucht [19.07.2019]

[2] Michael Lüders, Iran: Der Falsche Krieg, München 2012, C. H. Beck, S.37 

[3] https://history.state.gov/historicaldocuments/frus1951-54Iran/pressrelease, Zuletzt besucht [19.07.2019]

Verfasser: Thomas Latschan, 1953: Irans gestohlene Demokratie, https://www.dw.com/de/1953-irans-gestohlene-demokratie/a-17008768-0Zuletzt besucht [19.07.2019]

Iran, 1951–1954, https://s3.amazonaws.com/static.history.state.gov/frus/frus1951-54Iran/pdf/frus1951-54Iran.pdf, Zuletzt besucht [19.07.2019]

[4] Lüders, Iran: Der Falsche Krieg, S.38-39

[5] Lüders, Iran: Der Falsche Krieg, S.113

[6] Leyman Jafari, Der andere Iran, München 2010, C. H. Beck, S.128-130

[7] Lüders, Iran: Der Falsche Krieg, S.66


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Kommentare: 1
  • #1

    Rasputin (Dienstag, 30 Juli 2019 16:22)

    Die USA möchte wie immer die Welt dominieren