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Berichterstattungen über das israelische Nationalgesetz

 

Ein rassistisches Gesetz wird verabschiedet und die medialen Reaktionen darauf sind verhalten. 

 

von Ramona Wakil 


«Jüdisch und demokratisch. Bisher hat es Israel ziemlich gut geschafft, die beiden Ansprüche miteinander zu verbinden. Das neue Nationalitätengesetz ist jedoch ein Zeichen, dass es in Zukunft nicht mehr so sein könnte.»[1]


Diese Aussage stammt von Benjamin Hammer, der für den Deutschlandfunk schreibt. Auch er war bezüglich der neuesten Entwicklung in Israel besorgt. Und da kommen wir auch auf das ganze Theater zu sprechen. Das Nationalitätsgesetz ist am 18. August in Israel durch die Knesset verabschiedet worden. Die mediale Reaktion liess nicht lange auf sich warten. Doch lesen konnte man mehrheitlich Aussagen, wie jene von Benjamin Hammer. Man wollte einfach nicht schreiben (oder man konnte nicht), dass sich Israel im August 2018 offiziell zu einem Apartheidstaat ernannt hat.

 


Ich denke, dass dieses Gesetz ein stabiler Anfang dafür ist.


 

Nun nochmals von vorne. Israel wurde immer von aller Welt als einzige Demokratie im Mittleren Osten angepriesen. Und erst jetzt geben die Medien zu, dass diese Fassade zu bröckeln beginnt. Sie geben noch nicht zu, dass die vermeintliche Demokratie in Israel mit diesem Gesetz endgültig begraben wurde, sondern sie beginnen zaghaft, daran zu zweifeln und es in Frage zu stellen. Das Kind beim Namen zu nennen, braucht nämlich Mut und das haben die Mainstreammedien noch lange nicht. Dieses Gesetz "umstritten" zu nennen ist sehr unpassend, doch tuen das die meisten Zeitungen, wie mit diesem Screenshot aus der Google News Rubrik ersichtlich wird.

 

 

 

 

 

Doch jetzt zum Gesetz; Israel ist fortan für das jüdische Volk gedacht und Arabisch ist keine offizielle Landessprache mehr. Drusen, Araber und Christen fühlen sich diskriminiert und auch Tausende Israelis sind erzürnt und nahmen an den landesweiten Demonstrationen in Israel teil. Viel genützt hat es nicht, da die Mehrheit in Israel dieses Gesetz begrüsst. Wie sagte Premierminister Benjamin Netanyahu denn doch so schön: "Es ist ein Schlüsselmoment in der Geschichte des Zionismus und des Staates Israel. " [2] Nebenbei möchte ich zur Erinnerung erklären, was Apartheid ist. Apartheid strebt eine rassistische Segregation an. Ich denke, dass dieses Gesetz ein stabiler Anfang dafür ist. 

 

Doch wie reagiert man auf solch einen Beginn? Was tut die Medienwelt gegen ein aufstrebendes zweites Südafrika? Ja, sie beginnen zaghaft und mit Vorsicht die rassistische Regierung zu kritisieren. Man redet von umstritten und schwierig. Obwohl das Ganze überhaupt nicht schwierig zu beurteilen ist. Es handelt sich hierbei um ein rassistisches und nicht tolerierbares Gesetz.

 

Um nur einige der feigen Schlussfolgerungen zu nennen, bringe ich den NZZ Artikel [2] als Beispiel. Es werden nämlich richtigerweise rassistische Tendenzen angesprochen. Um dann am Schluss des Artikels eine offene Aussage zu formulieren, wobei es doch klar sein sollte, dass dieses Gesetz rassistisch und diskriminierend ist. Die NZZ scheint Israel noch in Schutz nehmen zu wollen, in dem im beschwichtigenden Ton berichtet wird, dass die ursprüngliche Form, nicht angenommen wurde und lediglich jüdische Gemeinden gefördert werden. Die restlichen 20% Nicht-Juden werden Gott sei Dank nicht von gewissen Gemeinden verbannt, weiss die NZZ zu schätzen.

 


"Der Status Jerusalems als Israels Hauptstadt wird bekräftigt. Der umstrittenste Artikel sollte ursprünglich die Errichtung ausschliesslich jüdischer Wohnorte ermöglichen. Die neue Version enthält allerdings nur noch die Formulierung: «Der Staat sieht die Entwicklung jüdischer Gemeinden als nationalen Wert an und wird diese ermutigen und fördern.» Zuvor hatte es geheissen, Gemeinden könnten Menschen etwa wegen ihrer Religion oder Nationalität ausschliessen.»

 

(…)

 

Der Staat Israel definiert sich als «jüdisch und demokratisch». Allerdings gibt es immer wieder Streit darüber, ob beide Begriffe gleichwertig nebeneinander bestehen können."


Es sollte darüber gar keinen Streit geben. Es ist spätestens jetzt klar, dass die Verabschiedung dieses Gesetzes, die letzten demokratischen Züge in Israel verschwinden lässt. Möge man sich fragen, ob die mediale Beurteilung auch so zurückhaltend gewesen wäre, wenn dieses Gesetz in Syrien oder dem Irak verabschiedet worden wäre? 

 

Die Medien im deutschsprachigen Raum haben kläglich versagt. Das ist nicht nur peinlich, sondern ich realisiere allmählich, dass die Welt bei einem zweiten Südafrika bereits zuschaut und es auch in Zukunft tun wird. Erstmals hat diese ganze Diskussion wenig mit den Palästinensern zu tun und es gibt keine Hamas-Kämpfer in dieser Runde, dennoch stellt man sich ganz klar auf die israelische Seite. Die Angst vor Israel und seinem Einfluss ist zu gross. 

 

Ich verweise daher auf einen Artikel, der bei Rubikon von Nirit Sommerfeld, einer Israelin verfasst wurde [3]. Dieser Artikel ist ehrlich und passend. Genau so hätten die Medien reagieren sollen und jetzt komme mir man nicht mit neutralen Absichten und mit dem Argument, dass solche Artikel in ernstzunehmenden Zeitungen nichts verloren hätten. Die vermeintliche Neutralität und saubere Recherche in vielen aussenpolitischen Geschehnissen lässt zu wünschen übrig und deshalb, kann man solch einen Artikel sehr wohl publizieren. Hier der Beginn des Artikels:

 


"Das war doch längst überfällig, dass das mal offiziell zu Papier gebracht wird! Jetzt haben wir es endlich juristisch zementiert und schwarz auf weiß, und zum Glück ist es nicht nur auf Hebräisch nachzulesen, der nun mehr einzigen Amtssprache des jüdischen Staates mit seinen über 20 Prozent nicht-jüdischen Bürgern, sondern auch auf Deutsch, Englisch und in allen anderen Sprachen, in denen sich alle um uns herum plötzlich echauffieren. Was mich dabei am meisten verwundert ist, dass alle sich so sehr wundern! Ja worüber wundern sie sich denn so, die Analysten und Journalisten, die Historiker, Aktivisten und Politiker?

 

Ach so, nein, Politiker nicht, von denen hört man plötzlich gar nichts, jedenfalls hört man nichts von bedeutenden Politikern, die immer an der Seite Israels stehen, deren Freundschaft zu Israel unverbrüchlich ist und die ihre historische Verantwortung gar so ernst nehmen. Geradezu ohrenbetäubend laut ist ihr stoisches Schweigen zu dem neuen israelischen Gesetz, über das sich die immer schon Aufrechten lautstark entrüsten.

 

Und doch muss ich nachfragen: Was genau ist denn auf einmal so verwunderlich? Dass endlich gesetzlich festgehalten wird, was seit Jahrzehnten in Israel Praxis ist?! Dass endlich benannt wird, was jeder längst wissen kann — nein, wissen muss, wenn sie/er sich ein bisschen intensiver mit Israels Geschichte auseinandersetzt?! Ja aber Freunde, das war doch schon alles längst bekannt!

 

Ganz ehrlich, ich bin richtig dankbar für die juristische Manifestation dieses staatlichen Rassismus, bedeutet sie doch, dass meine Mitstreiterinnen und ich weder seit Jahren völlig durchgeknallt sind, noch dass ich aller Welt erklären muss, wie es sich mittlerweile in meinem bedauernswerten Land mit der Demokratie und der Gerechtigkeit verhält."


 

Ich bewundere in dieser ganzen Debatte Menschen wie Frau Sommerfeld oder den grossen Dirigenten und Pianisten Daniel Barenboim, der nach der Verabschiedung des Gesetzes meinte, dass er sich heute schäme, Israeli zu sein [4]. Es ist für vernünftige Israelis schwer, mit solch einer Situation zurechtzukommen und die Wandlung ihres eigenen Landes in einen Apartheidstaat zu beobachten.

 

Doch wenn die eigenen Staatsbürger es schaffen, sich ganz klar von diesem fürchterlichen Kurs Israelis zu distanzieren, sollten es doch unseren Medien einfacher fallen. Es ist doch nicht so schwer, der Weltbevölkerung eine passende und gesunde Berichterstattung über dieses Gesetz zu bieten. Ich warte sehnlichst darauf. Denn wie man immer sagt, es möge nie wieder einen zweiten Holocaust geben, so hoffe ich doch auch, kein zweites Südafrika zu erleben. 

 

 

 


 

Quellen:

 

[1] Hummer Benjamin, Gleichberechtigung der Staatsbürger gefährdet, https://www.deutschlandfunk.de/nationalitaetengesetz-in-israel-gleichberechtigung-der.720.de.html?dram:article_id=423373, [Zuletzt besucht am 02.09.2018]

[2] Verfasser fehlt, Israel verabschiedet umstrittenes «Nationalitätsgesetz» – arabische Abgeordnete protestieren, https://www.nzz.ch/international/israel-verabschiedet-umstrittenes-nationalitaetsgesetz-arabische-israeli-protestieren-ld.1404754, [Zuletzt besucht am 02.09.2018]

[3] Sommerfeld Nitrit, Der Apartheidstaat,  https://www.rubikon.news/artikel/der-apartheidstaat, 

[Zuletzt besucht am 02.09.2018]

[4] Verfasser fehlt, Today, I am ashamed to be an Israeli, https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-today-i-am-ashamed-to-be-an-israeli-1.6294754, [Zuletzt besucht am 02.09.2018]


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